Mitschnitt des Vortrags von Patrick Viol vom 29.07.2021
Im Heavy Metal der 80er Jahre besingen Männer mit langen Haaren und schmierigen Lederkutten den dunklen Lord, er möge ihnen einen Pakt anbieten, um den eigenen Tod besiegen und an seiner Allmacht partizipieren zu können – und das nicht selten im Falsett. Dem Teufel Frauen zu opfern, gilt als das bestialische Äquivalent, das zu erbringen die eisernen Männer sich willfährig bereit erklären.
Im Brutal Death Metal Mitte der 90er – der wohl krassesten, substilistischen Ausformung des Heavy Metals – gibt man sich oft mit Glatzen, düsteren Mienen und dicken, tätowierten Armen zwar männlicher als je zuvor, aber eben auch säkular und profan. Töten mit Hacken, chirurgischen Instrumenten und nicht zuletzt mit dem eigenen Genital setzt sich hier als Selbstzweck. Das Unwesen, welchem man sich hier anzuverwandeln versucht, ist das Kapital selbst nach der Seite seiner technischen Zusammensetzung: die maschinellen Produktionsmittel, das tote Kapital. Seinem blinden Voranschreiten gleich zu werden, darin feiert das männliche Subjekt des Brutal Death Metal einerseits seinen Sieg über seine sterbliche Natur. Am Instrument als Naturbeherrscher und als beherrschte Natur zugleich gerät es aber in einen Widerspruch mit sich selbst und zelebriert andererseits seinen eigenen Tod.
So erklingt im Brutal Death Metal sowohl stets eine Spannung zwischen Maschinellem und Organischem als auch der Versuch, ihre Differenz zu tilgen. Dafür büßen, dass der Versuch misslingt, sich über das natürliche Leben zu erheben, muss: die Frau. Darin erweist man sich jeder Säkularisierung zum Trotz als traditionalistisch.
War der Zombie schon immer der Ausdruck dafür, dass sowohl Leben und Tod des Menschen sich nicht mehr recht unterscheiden lassen als auch für dessen blindes Weitermachen ohne Grund (denn der Zombie frisst nur um zu fressen, weil er nicht verhungern kann) so lässt sich Brutal Death Metal als die Musik von Untoten begreifen. Zur Behandlung dieser These wird sich im Vortrag vor allem auf die Analyse des musikalischen Materials bezogen. Neben einer musikgeschichtlichen Einordnung des Brutal Death Metal werden Szene-übliche Accessoires, Hörbeispiele und Videos präsentiert – und ‚live‘ Gitarre gespielt.
Patrick Viol ist u.a. Autor des Extrablatts und Autor des Artikels „Music Of The Living Dead. Die Angleichung von Leben und Tod im Brutal Death Metal“.