Mitschnitt des Vortrags von Magnus Klaue vom 17.06.2010
Daß Paul Celans Lyrik entgegen verbreiteten Klischees über deren vermeintliche Hermetik ihrer Formgestalt nach als 'engagierte Dichtung' verstanden werden muß, ist spätestens seit Ende der siebziger Jahre zunehmend ins Bewußtsein der akademischen Forschung, aber auch der feuilletonistischen Rezeption seines Werks getreten. Nolens volens haben die dezidiert politischen Interpretationen von Celans Lyrik seiner Vereinnahmung als 'Dichter des Holocaust' durch diverse derridistisch-heideggerianische Gedächtnisexperten womöglich sogar vorgearbeitet. Im Mittelpunkt solchen Interesses stehen indes die Lyrikbände aus Celans mittlerer Schaffensperiode, v.a. "Sprachgitter" und "Die Niemandsrose". Der Vortrag möchte demgegenüber der Frage nachgehen, inwiefern Celans späte Gedichte, die sich sowohl in ihrer Entstehungsweise wie in ihrer immanenten Formsprache deutlich von den früheren unterscheiden, sich bereits als Reaktion auf verschiedene Weisen der politischen Vereinnahmung seines Werks deuten lassen. Die spezifische Form des Engagements, wie sie seinen früheren Dichtungen immanent ist, wird dabei zugespitzt in einem polemischen Interventionismus, der in bislang ungekannter Weise auf 'pragmatische' Formen wie Sentenz und Epigramm zurückgreift, zugleich aber jede Art politischer 'Gebrauchsdichtung', wie sie zur gleichen Zeit etwa von Enzensberger vertreten wurde, scharf zurückweist. Für die besondere Formsprache, die durch die Verschränkung von Elementen 'eingreifender' und 'absoluter' Dichtung im Spätwerk entsteht, schlägt der Vortrag den Begriff des Sarkasmus vor.
Im Mittelpunkt stehen Gedichte aus den Bänden "Fadensonnen", "Lichtzwang" und "Schneepart". Die Gedichte werden in Kopie zur Verfügung gestellt.
Magnus Klaue hat Germanistik, Philosophie und Filmwissenschaft studiert, an der FU Berlin gelehrt und über Else Lasker-Schüler promoviert. Derzeit arbeitet er an einem Forschungsprojekt zum Begriff der Idiosynkrasie und schreibt für zahlreiche Zeitschriften.