Fr 02.06.2023 - 19 Uhr
ACC Galerie Weimar (Burgplatz 1+2)
Benjamin versteht Dada als dekadente Kunstform, die auf ihre eigene Abschaffung drängt: sie antizipiere den Film und spiegele die Krisenhaftigkeit der letzten Jahre des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Der dadaistische Gehalt bestehe in einer barbarischen Lust am (eigenen) Verfall, seine „Chockwirkung“ sei eine billige: Dies ist doppelt zu deuten: Einerseits versteht Benjamin, ähnlich wie Adorno später, Dada als pubertäre „Geste“ eines naiv-radikalen Neuanfangs. Andererseits begrüßt Benjamin die Weihen, mit denen Dada sowohl den künstlerischen als auch den gesellschaftlichen Verfall und die Desintegration des Individuums feiert, als Figur des Schlusses, der nicht schließt, sondern in andere Kunstformen übergehe und gesellschaftlich praktisch werde.
In Benjamins frühen sprachphilosophischen Überlegungen zur adamitischen Sprache lassen sich durchaus Entsprechungen zur dadaistischen Literatur finden. In seinem späten Verfahren der dialektischen Bilder, die er montiert, collagiert und konstelliert, sodass die Unterschiede zwischen Text- und Bildsprache eingerissen scheinen, lassen sich nicht nur Spuren des Surrealismus, sondern auch dadaistische Züge erkennen. In der Konfrontation dadaistischer Stadtbilder mit Benjamins architektonischen Denkbildern lässt sich fragen: Wie adäquat war Benjamins Theorie des Dadaismus? Lässt sich in seiner Kritik an den Perzeptionsformen der bürgerlichen Stadt ein dadaistisches Erbe erkennen? Welche Kunst schafft der Dadaismus ab? Wohin führt die dadaistische Bildsprache?
Die Referentin Lea Fink promoviert zum Metaphysik-Begriff der Kritischen Theorie, arbeitet an der Gedenkstätte Ravensbrück und bietet gelegentlich Stadtführungen zu Kunst-, Sozial- und Geistesgeschichte in Berlin an.